Aspromonte, auch rauer Berg genannt, ist ein Bergmassiv ganz im Süden an der Spitze des italienischen Stiefels. Selbst im Sommer verirren sich kaum Touristen dort hin ...
... auch Einheimische meiden häufig diese Gegend. Durch Erdrutschgefahren und auch weil die kalabrische Verbrecherorganisation Ndrangetha diesen Gebirgszug als Rückzugsgebiet auserwählt hat (so erzählt man sich), sind leider schon einige der idyllisch gelegenen Dörfer verlassen. Diese Dörfer liegen nahe der Bergamotte-Plantagen.
Und trotzdem gibt es einige Bergamotte-Bauern, die nicht nur diesen Widerständen trotzen, sondern auch wunderbar mit der Zeit gehen. Es ist ja bekannt, dass die Menschen aus der Provinz Reggio Calabria sehr beständig mit Traditionen ihrer Heimat umgehen und daher umso bemerkennswerter, dass gerade Bergamotte-Bauern den Anstoß des Umdenkens geben. Calabrien zählt noch immer zu den ärmsten Regionen Italiens, daher ziehen die meisten Jugendlichen in den Norden Italiens um Arbeit zu finden. Den Bergamotte-Bauern geht es vergleichsweise noch gut. Sie bewerben die schönen Sandstrände, das klare Wasser, die unberührten Gebiete und wo früher in mühsamer Handarbeit Bergamotten-Öl hergestellt wurde, werden jetzt Ferienwohnungen, vorallem aber „Urlaub am Bauernhof“ angeboten.
Die Bergamotte, diese geheimnisvolle Frucht aus dem tiefsten Süden Italiens, existiert seit ungefähr 300 Jahren und ist aus einer Kreuzung aus Bitterorangen und Zitronen entstanden und hat die annähernde Form einer Birne. In ihrer Schale steckt ein besonders wertvolles Öl – das Bergamotten-Öl. 147 Inhaltsstoffe sind bis heute bekannt. Für 1 Kilogramm Früchte bekommen die Bauern rund 20 Cent. Erst wenn eine LKW-Ladung voll ist, werden die wohlduftenden Früchte zum Pressen gebracht. Sie werden gewaschen, Stiele und Blätter werden entfernt. Nachdem sie geschält wurden, werden sie gepresst und zentrifugiert, dann wieder gepresst und zentrifugiert. Übrig bleibt ein grünlich-gelbes Fruchtgemisch aus Saft und Schale.
In den Fabriken arbeiten hauptsächlich indische Männer, da sie mit dem feucht-heißen Bedingungen besser umgehen können. Heutzutage kann es sich kein Bauer mehr leisten, das Bergmotten-Öl selbst zu erzeugen. Vorallem wenn man bedenkt, dass ungefähr 200 Liter des intensiven Öls pro Bergamotten-Bauern gewonnen wird.
Und wie wird Bergamotte sonst noch vermarktet?
In der Bergamotten-Region preist man auch eine mehrwöchige Bergamotten-Saftkur gegen Cholesterin an, obwohl „Experten“ immer wieder darauf hinweisen, dass das Fruchtfleisch der Bergamotte ungenießbar sei.
Auch eine Bergamotteria, der weltweit einzige Laden dieser Art, wie der Besitzer stolz erzählt, bietet Torten, Kekse, Liköre, Seifen und viele verschiedene Kosmetikprodukte an. Schließlich befindet man sich ja im Land der Bergamotte.
Patre Don Tomassi eröffnete in den 1960er Jahren eine Schule, wo Jugendlichen eine besondere Technik der Bergamotten-Verarbeitung beigebracht wurde. Die Früchte werden ausgehöhlt, getrocknet, in Form gepresst, beschliffen und dann bemalt. Ja Sie haben richtig gelesen - die bemalten Bergamotten-Schnupftabakdosen sind nicht nur bei Touristen beliebt!
Es gibt auch ein eigenes Bergamotten-Museum „Farinamuseum“ - Interessierte können dort die alten, ursprünglichen Maschinen bestaunen, mit denen das Bergamotten-Öl aus den Schalen gewonnen wurde.
Das ätherische Öl der Bergamotte wird seit langem in Köln verarbeitet – Kölnisch Wasser ist mittlerweile weltweit bekannt. Im 19. Jhd. wurde es in Champagnerflaschen transportiert. Früher erzählte man sich, dass die Kölnerinnen sogar bei Nacht am Duft zu erkennen waren … smile.
Das Trinken von Tee hat Tradition in England! Was wären die „tearooms“ ohne den Bergamotte-Duft von Earl Grey in der Luft? Aus dem fernen Osten kamen Händler nach England. Der modrige Geruch des Tees wurde mit Bergamotte-Essenzen zu einem wohlduftenden Earl Grey-Tee aufgewertet. Mittlerweile gibt es allein schon mehr als ein Dutzend Earl Grey-Teesorten mit verschiedenen Bergamotte-Stückchen und Geschmäckern – importiert aus Kalabrien.
Wie wird es mit den Bergamotte-Bauern weiter gehen?
Die Erhaltung der Traditionen in Kalabrien hat große Wichtigkeit, damit der Bergamottenduft nicht nur eine erblasende Erinnerung bleibt.
